Folgender Antrag wurde nach vorheriger Kenntnisgabe an alle Fraktionen und deren Möglichkeit zur Beteiligung dem Ortsbeirat zur Beschlussfassung am 17.06.2020 vorgelegt. Der Antrag wurde mit breiter Mehrheit der in der Sitzung anwesenden Fraktionen angenommen.
Hintergrund
Am 9. Mai 2018 beschloss der Mainzer Stadtrat einstimmig, eine Arbeitswerkstatt „Modernisierung Gutenberg-Museum“ einzurichten. Unter Beteiligung von Stadtratsfraktionen, Verwaltung, Museum sowie bürgerschaftlichen Vereinen und Initiativen wurde die Arbeitswerkstatt beauftragt, „Möglichkeiten und Empfehlungen für die Zukunft des Gutenberg-Museums auszuloten“.
In bisher 18 Sitzungen konnte die Arbeitswerkstatt in wesentlichen Punkten Einigkeit erzielen, so z. B. bezüglich Rechtsform und Trägerschaft. In der Frage „Sanierung oder Neubau?“ empfiehlt sie einen Neubau. Ferner hat die Arbeitswerkstatt 23 Standorte für einen Neubau geprüft. Hiervon wurden 21 Standorte als ungeeignet eingestuft. In der engeren Auswahl bleiben ein Neubau am etablierten Dom-Standort sowie ein Umzug in einen Neubau am Allianzhaus-Standort.
Ob die Arbeitswerkstatt eine Empfehlung bezüglich einer der beiden Standortalternativen Dom oder Allianzhaus formulieren wird und – falls ja – ob diese im Konsens getroffen wird, ist derzeit offen.
Beide Standorte liegen in der Altstadt, deren Bürgerschaft durch den Ortsbeirat Altstadt repräsentiert wird. Deshalb ist es Aufgabe des Ortsbeirats, Stellung zu beziehen – als Stimme der örtlich Betroffenen und aus örtlicher Kenntnis.
Beschlusstext
Der Ortsbeirat Mainz-Altstadt begrüßt das Wirken der Arbeitswerkstatt „Modernisierung Gutenberg-Museum“. Zahlreiche Vorschläge wurden geprüft und diskutiert, konkrete Entscheidungen vorbereitet. Ein besonderes Verdienst der Arbeitswerkstatt ist es, dass die Empfehlungen immer im Konsens entwickelt und ausgesprochen wurden.
Der Ortsbeirat Mainz-Altstadt spricht sich dafür aus, das Gutenberg-Museum am etablierten Dom-Standort zu belassen: Gutenberg gehört ins Herz von Mainz so wie die Bibeln zum Dom.
Begründung
1. Der Standort des Gutenberg-Museums am Dom hat sich seit 93 Jahren bewährt. Die zentrale Lage trägt dazu bei, das Museum im Bewusstsein der Mainzerinnen und Mainzer zu verankern und stiftet Identität und Sympathie. Der bekannteste Sohn der Stadt („man of the Millennium“) und sein Museum gehören in die 1A-Lage.
2. Die Besucherschaft des Museums besteht zum weitaus größten Teil aus Touristinnen und Touristen. Das Museum liegt optimal an der mit Abstand meistfrequentierten Mainzer Tourismusroute: Rheinufer/Fischtor, Gutenberg-Museum, Dom, St. Johannis (alter Dom), Kirschgarten/Augustinerstraße, St. Stephan. Das Museum ans Allianzhaus umzuziehen hieße, es über einen touristisch weit weniger attraktiven Weg in ein touristisch nicht erschlossenes Gebiet zu verlagern. Gerade für die vielen Tagestouristen wären längere Wege von Nachteil.
3. Einzelhandel und Gastronomie profitieren in Mainz stark vom Tourismus. Das Gutenberg-Museum liegt mitten im zentralen Einzelhandels- und Gastronomiequartier von Mainz. Mit den zahlreichen Läden, Restaurants, Weinstuben und Cafés bildet das Museum eine wertvolle Symbiose. Ein Neubau am etablierten Dom-Standort wäre auch eine Investition in Einzelhandel und Gastronomie. Dies wäre gerade im Hinblick auf die aktuelle Krise dieser Branchen ein wichtiges Signal.
4. Das Allianzhaus ist seit vielen Jahren Heimat des Kulturclubs „schon schön“, der sicher zu den herausragenden Institutionen der freien Kulturszene in Mainz gehört. Nicht erst seit der Corona-Pandemie steht diese unter starkem Druck. Ein Neubau des Museums an dieser Stelle würde die Zukunft des Kulturclubs infrage stellen. – Zudem hat der Kulturclub einen Mietvertrag bis 2025, so dass Abriss, Neubau und Umzug erst mit fünf Jahren Verspätung beginnen könnten. Der Neubau am Dom-Standort kann dagegen ohne Wartezeit starten.
5. Eine Prognose der städtischen GWM vom 6. Mai 2020 schätzt für die beiden Neubau-Alternativen Ausgaben in folgender Höhe:
– Dom-Standort: 58,0 Mio Euro
– Allianzhaus-Standort: 86,3 Mio Euro
Diese vorläufige Schätzung zeigt: Der Dom-Standort ist fast 30 Mio Euro günstiger. Mehrkosten in solcher Höhe wären kaum zu rechtfertigen, insbesondere in der aktuellen Wirtschaftslage.
6. Die Befürworter des Allianzhaus-Standorts fordern einen „spektakulären“ Neubau. Das ist nachvollziehbar, denn abseits des touristischen Zentrums würde nur ein solcher „Eyecatcher“ für ausreichend Aufmerksamkeit sorgen. Dies würde jedoch die ohnehin schon hohen Kosten dieses Standorts weiter erhöhen. Zudem besteht die Gefahr, dass ein solch spektakulärer Bau die barocke Umgebung (St. Peter und Golden-Ross-Kaserne) in Stil und Masse übertrumpft. Dies würde auf Kritik in der Bürgerschaft stoßen.
7. Weitere Argumente für den etablierten Dom-Standort benennt die Stellungnahme, die Prof. Dr. Eckart Köhne (Deutscher Museumsbund) am 11. Mai 2020 im Auftrag der Arbeitswerkstatt verfasst hat. Sein Fazit: „Es kann eine klare Empfehlung ausgesprochen werden: das Museum sollte unbedingt am jetzigen Standort weiterentwickelt werden. Ein Neubau an dieser Stelle wäre aus museologischer Sicht die mit Abstand beste Lösung.“
Für eine Interimslösung während der Bauphase am Dom-Standort sind bereits Vorschläge erarbeitet worden, die Einrichtungen der Umgebung mitnutzen. Hierfür anfallende Kosten sind bereits großzügig (4 Mio Euro) in der Prognose der GWM einkalkuliert.
Ein Neubau am Allianzhaus gibt die etablierte Lage am Dom (= im Herzen von Mainz) auf, entfernt das Museum von der Touristenroute, verzichtet auf Synergien mit Einzelhandel und Gastronomie und gefährdet einen Kulturclub. Ein solches Vorhaben ist riskant. Das Gutenberg-Museum kann es sich nicht leisten, dass seine Zukunftsplanung erneut durch einen Bürgerentscheid gestoppt wird.
Ein Neubau am bewährten Dom-Standort sichert dem Gutenberg-Museum eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung und eine bessere Planbarkeit. Denn er schafft keine unnötigen Unwägbarkeiten und Nebenschauplätze. Er kommt Tourismus, Einzelhandel und Gastronomie im wahrsten Sinne des Wortes entgegen. Er ist schneller umsetzbar. Und er spart viele Millionen Euro an Kosten.
Stand: 8. Juni 2020
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