Zum wiederholten Male findet sich auf Straßen und Plätzen der Altstadt menschenverachtende, sexistische oder jugendgefährdende Plakatwerbung. Verantwortlich ist erneut die Deutsche Städte Medien GmbH (DSM). Die DSM hat mit der Stadt Mainz einen Monopolvertrag abgeschlossen, der ihr von 2011 bis 2025 das ausschließliche Recht zur Errichtung und Nutzung kommerzieller Werbeanlagen im öffentlichen Raum gibt.
Die Vorfälle häufen sich in letzter Zeit:
• Anfang Juni 2020 sind es Plakate, die für eine TV-Show werben. In Großbuchstaben wird mit dem Begriff „MILF“ provoziert, der im „vulgären Jargon“ (Duden) für „Mom/Mum/Mother I’d Like to Fuck“ (Wikipedia) steht. Hier wird bewusst ein Rollenbild von Frauen als Sexobjekte propagiert, um Marktanteile für eine Show zu generieren.
• Anfang Februar 2020 waren es Plakate, die für eine andere TV-Show warben mit der menschenverachtenden Aussage: „Jeder Mensch ist etwas wert. Entscheide Du, wie viel.“ In Schreiben an DSM, den Deutschen Werberat und die Stadtverwaltung kritisierte die Altstadt-SPD: „Es ist ein Grundkonsens unserer Gesellschaft, dass es niemandem zusteht, über den Wert eines anderen Menschen zu urteilen, schon gar nicht einem Fernsehzuschauer von der heimischen Couch aus. Die unsägliche Werbung, die nun das Mainzer Stadtbild prägt, missachtet diesen Grundsatz zutiefst. Es ist beschämend, so etwas in Mainz lesen zu müssen.“ (www.altstadtSPD.de/402 und www.altstadtSPD.de/404)
• Immer wieder (z. B. im November 2018 und im März 2019) erscheint Tabakwerbung auf Werbeanlagen der DSM im Umfeld von Kindergärten oder Schulen. (Anfrage 0622/2019 der Grünen im Ortsbeirat Altstadt) Aufgrund der allseits bekannten Gesundheits- und Suchtrisiken ist dies eindeutig eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen.
Dies sind Verstöße gegen Grundrechte und gegen die guten Sitten. Darüber hinaus sind es Vertragsverletzungen. Denn im Vertrag der DSM mit der Stadt Mainz ist in § 8 („Besondere Vorschriften für Werbung“) geregelt:
„DSM hat sicher zu stellen und steht dafür ein, dass die jeweilige Werbung sämtlichen gesetzlichen und behördlichen Vorschriften entspricht und insbesondere nicht gesetzlichen oder behördlichen Werbeverboten widerspricht. Unzulässig ist der Aushang von Werbung für Suchtmittel in einem Umkreis von 200 m, soweit der Aushang von Schulflächen und Kindergartenflächen aus sichtbar ist. Bezüglich als möglich sexistisch einzustufender Werbung gilt: Sexistisch ist Werbung dann, wenn sie ein Geschlecht, meistens die Frau, in traditionell beschränkter Funktion, als sexuell verfügbares Wesen oder nur mit stereotypen Eigenschaften darstellt; wenn sie Körper oder Körperteile wie Hintern und Brüste als Blickfang einsetzt und so voyeuristische Instinkte bedient. Ausschlaggebend ist der Gesamteindruck, den eine Werbung vermittelt.“
Der Ortsbeirat Altstadt möge daher beschließen:
1. Der Ortsbeirat Mainz-Altstadt wertet solche Werbung als Belästigung der Altstädterinnen und Altstädter und ihrer Gäste. Sie ist menschenverachtend und/oder jugendgefährdend. Wir wollen solche Zumutungen in unserem Stadtteil nicht mehr sehen.
2. Wir fordern die DSM auf, endlich ein wirksames Kontrollsystem zu etablieren, um zu verhindern, dass solche Werbung auf ihren Werbeanlagen veröffentlicht wird. Dieses Kontrollsystem ist der Stadt Mainz schriftlich darzulegen. Der Ortsbeirat möge hierüber bitte durch die Wirtschaftsdezernentin informiert werden.
3. Es ist zu bemängeln, dass im Vertrag zwischen der Stadt Mainz und DSM keine Vertragsstrafen oder andere Sanktionsmöglichkeiten für solche Fälle geregelt sind. Der laufende Vertrag ist diesbezüglich zu ergänzen. Sollte sich DSM weigern, Vertragsstrafen in den Vertrag aufzunehmen, ist seitens der Stadt Mainz zu prüfen, ob ein außerordentliches Kündigungsrecht gemäß § 18 des Vertrags besteht. Der Ortsbeirat möge bitte über die Gespräche und die Rechtseinschätzung informiert werden.
4. Es sollen grundsätzlich keine neuen Werbeanlagen im öffentlichen Raum mehr genehmigt werden. Insbesondere soll die Anzahl der Werbeanlagen in der Altstadt nicht über das Maß erhöht werden, das der DSM vertraglich zusteht.
5. Die Sichtbarkeit von Werbeanlagen im öffentlichen Raum soll nicht weiter erhöht werden. 2018, 2019 und 2020 hat DSM Dutzende Bauanträge gestellt, um Werbeanlagen auszutauschen, damit diese mehr optische Präsenz ausstrahlen: getauscht wurden einfache gegen beleuchtete, kleine gegen große, in Haltestellen integrierte gegen auffällige alleinstehende Werbeanlagen. Diese Maßnahmen sind zu stoppen.
6. Konkret sind die aktuellen Planungen zu stoppen, wonach in der neuzugestaltenden Schillerstraße zusätzliche Werbeanlagen errichtet werden sollen. Wenn öffentliche Räume mit öffentlichen Geldern aufgewertet werden, darf dies nicht mit einer Häufung neuer Werbeanlagen (wie in der Großen Langgasse) ad absurdum geführt werden.
Stand: 5. Juni 2020
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